Advent in Moll
Auf ein Wort
An Themen mangelt es nicht in dieser Adventszeit. Die reichen für jede Menge Worte. Freitag, der 13., ist zumindest heute so ein Thema, wenigstens für viele Menschen hier. Im chinesischen Kulturraum ist der 13. ein Tag wie jeder andere, ob nun ein Freitag oder jeder übrige Tag der Woche. Der 4. allerdings bringt Unglück, so ist man dort überzeugt. Und staunende BesucherInnen aus dem Rest der Welt suchen vergebens die vierte Reihe im Flugzeug oder auch die vierte Etage im Hotel. Nach drei kommt fünf, so wird Pech so gut wie möglich vermieden. Mit etwas Aberglauben scheint das Leben überschaubarer und handhabbarer zu werden, hier wie dort.
Sehr viel komplizierter erscheint mir da das Thema Wahlkampf, in dem wir ja schon mittendrin stecken. Und ich beneide sie nicht, die Politikerinnen und Politiker aller Parteien, die um die Stimmen von uns, den Wählerinnen und Wählern, kämpfen. Es geht um hochkomplexe Zusammenhänge in der Wirtschaft, in der Innen- und Außenpolitik und auch im sozialen Bereich. Aber die wenigsten von uns haben Zeit und Geduld dafür. So werden eben gerne die populistischen Themen gewählt, einfache Antworten statt vorurteilsfreier Fragen und schnelle Lösungen an Stelle von klugen Wegen. Laut, einfach und eingängig soll es sein. Oder wie sonst kann ich die Äußerungen verstehen, die am Tag nach dem Machtwechsel in Syrien schon davon reden, alle syrischen Menschen, die vor Krieg und Gewalt in ihrem Land hier Schutz gefunden haben, sofort wieder zurückzuschicken. Ein Despot weniger bedeutet nicht zwangsläufig Sicherheit für die Menschen.
Ein weiteres Thema, das mich umtreibt, ist das Heilige Land, das Land Jesu. „Was bei uns im Heiligen Land geschieht, übersteigt den Menschenverstand“, so Sumaya Farhat-Nasser, eine palästinensische Menschenrechtsaktivistin. „Beide Völker – Israelis wie Palästinenser – verlieren Moral, Ideale, Glauben und Humanität.“ Es gibt unvorstellbares Leid, und die Empörung darüber bleibt aus.
Haben Sie noch durchgehalten beim Lesen? Fragen Sie sich jetzt zurecht, was das denn alles mit einem schönen und besinnlichen Advent zu tun hat? Darüber sollte doch die Pfarrerin besser mal schreiben! Ich schreibe doch über Advent. Den Advent jenseits der Plätzchen- und Glühwein-Seligkeiten. Einen Advent, der die Welt ernst nimmt, in die Gott kommt. Selbst die Kirchenlieder in dieser Zeit sind häufig in Moll-Tonart und mit sperrigen Texten. Nichts von der strahlenden, heiteren, fröhlich-beschwingten Musik, die im Advent doch sicher unseren aufgerauten Seelen gut täte. Allerdings: Hoffnung und Trost, das braucht nach meiner Erfahrung zunächst einmal die Möglichkeit, Unrecht zu benennen, Leid zu beklagen, zu trauern, die Umstände nicht zu überzuckern. Und dann kann Trost und Hoffnung wachsen, denn Gott handelt. Ich wünsche Ihnen eine „mollige“ Adventszeit.
Pfarrerin Antje Lütkemeier, Evangelische Kirchengemeinde Bad Lippspringe
Der Beitrag ist erschienen in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 13. Dezember 2024.