Eindringlicher Appell Mitmenschen mit Respekt zu begegnen
Die Ratsvorsitzende der EKD Annette Kurschus spricht bei Gedenkstunde
Büren-Wewelsburg (al). Am 2. April 1945 erreichten amerikanische Soldaten am frühen Nachmittag das Konzentrationslager Niederhagen in der Nähe der Wewelsburg. Die 3. US-Armee konnte 42 Überlebende befreien. Seit über 20 Jahren organisiert der Verein „Gedenktag 2. April“ auf dem früheren Appellplatz des Lagers eine Gedenkfeier. Zum 77. Jahrestag der Befreiung hielt die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) Annette Kurschus eine bewegende Gedenkansprache.
Insgesamt wurden 3.900 Menschen im Konzentrationslager Niederhagen gefangen gehalten und zum Arbeitsdienst in Steinbrüchen oder im Straßenbau gezwungen. 1.285 Menschen kamen zu Tode. Das Konzentrationslager Niederhagen entstand 1941, um die Wewelsburg nach dem Willen von Reichsführer SS, Heinrich Himmler, zu einer zentralen, ideologischen Versammlungsstätte auszubauen. Neben Landrat Christoph Rüther, dem Bürener Bürgermeister Burkhard Schwuchow und dem Paderborner Bürgermeister Michael Dreier nahm ein Enkel des Überlebenden Max Schott an der Gedenkfeier teil. Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Paderborn-Elsen gestalteten das Gedenken mit. Sie hielten nach dem Motto der Feier, „Blick in den Spiegel“ der Gesellschaft einen Spiegel vor. Die Schülerinnen und Schüler verdeutlichten „Erinnern ist wichtig, denn Erinnern kann man nicht abschaffen“.
„Hier fanden täglich und allerorten unerträgliche Übergriffe an den Häftlingen statt. Die grausame Vergangenheit muss im Bewusstsein bleiben“, begrüßte der Vorsitzende des Vereins „Gedenktag 2. April“, Robert Gündchen rund 120 Gäste. „Ihre Teilnahme unterstreicht die Wichtigkeit dieses Gedenktages, auch im Angesicht des Krieges in der Ukraine“, betonte Bürens Bürgermeister Burkhard Schwuchow. Landrat Christoph Rüther erinnerte daran, dass es 60 Jahre nach der Befreiung des KZ drei Männer aus der Ukraine waren, die die Hand zur Versöhnung reichten. „Es ist erschütternd, dass die Angehörigen dieser Männer nun erneut zu Opfern von Krieg und Gewalt werden“, nahm der Landrat die Opfer in der Ukraine ausdrücklich in das Gedenken auf.
„1.285 Häftlinge wurden getötet, so steht es bei Wikipedia. Doch beim Lesen des spröden Satzes schnürt es mir die Kehle zu. Hier wurden Menschen zu Häftlingen gemacht. Dazu reichte es schon, anders gedacht, anders gelebt, anders geglaubt oder anders geliebt zu haben. Schon das Gerücht reichte für eine Inhaftierung aus“, machte Präses Annette Kurschus die Unmenschlichkeit des NS-Regimes deutlich. Das KZ Niederhagen sei für seine Brutalität berüchtigt. „Es ist nicht vorbei: Die Leiden und das Grauen leben in den Kindeskindern der Opfer weiter“, unterstrich Annette Kurschus die Wichtigkeit einer Erinnerungskultur. Die Erinnerung reanimiere den Schrecken vor dem Tod. Aufgeklärte Menschen aus der Mitte der Gesellschaft haben die Tötungsmaschinerie in Gang gesetzt. „Doch aufgeklärten Menschen wird schlecht von dieser Schlechtigkeit“, begab sich die Ratsvorsitzende auf Ursachensuche für die Gräueltaten. „Auch Massenmord kommt nicht ohne Religion aus. Hitler bezeichnete die Kirche als organisierte Lüge, so dass die Beseitigung des Judentums eigentlich die Beseitigung des Christentums war. Die Nazischergen haben sich als Gott gesehen und so den Rassenhass gegen andere geschürt“, appellierte Annette Kurschus, sich nie in der Überzeugung beirren zu lassen, dass ein Mensch ein Mitmensch ist, den es zu respektieren gelte.