Einfach mal probieren!

Auf ein Wort

Pfarrerin Sabine Sarpe

Pfarrerin Sabine Sarpe

„Wir essen ja auch nicht mehr viel Fleisch.“ Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor. Sobald sich jemand in einer Runde als vegetarisch oder vegan lebend zu erkennen gibt, beginnen die Anwesenden wortreich zu erklären, wie wenig Tier sie selbst konsumieren. Ich bekomme dabei fast ein schlechtes Gewissen. Ich möchte niemanden unter Druck setzen mit meiner Entscheidung. Auch wenn ich sie bewusst getroffen habe im Hinblick auf unsere Haltung den Tieren gegenüber ebenso wie deren Haltungsbedingungen. Und ja, es hat auch mit meinem Glauben zu tun. Dass ich ernst nehmen möchte, was ich in der Bibel lese: Alle Geschöpfe sind wunderbare Wesen Gottes. Dazu gemacht, um sich gemeinsam den Lebensraum zu teilen und immer besser darin zu werden, das so zu machen, dass alle zu ihrem Recht kommen.

Trotzdem möchte ich niemandem vorschreiben, was sie essen. Darüber nachdenken finde ich aber toll. Ich verstehe das Argument „Ist aber lecker“ sehr gut. Ich mag das auch. Verzichten ist richtig schwer, wenn man nicht muss. Wenn man nicht anders kann, ist es auch schwer, aber dann hat man wenigstens nicht gegen sich selbst zu kämpfen. Darum mag ich die Fastenzeit gern. Diese sieben Wochen vor Ostern lassen mich mitgehen auf dem Weg von Jesus, der ihn durch Begeisterung, Gemeinschaft, Verrat, Liebe und Hass ans Kreuz geführt hat – also alles, was uns auch in unserem Leben begegnet. Der aber nicht im Kreuz endet, sondern auf Ostern hinausläuft, auf neues, geschenktes Leben gegen alle Erwartung. In dieser Zeit nehme ich mir gern vor, Dinge anders zu machen als sonst. So habe ich über einen freiwilligen Verzicht für eine kurze Zeit gemerkt, dass es für mich persönlich gar nicht schwer ist, auf Fleisch zu verzichten. Das war eine befreiende Erfahrung für mich. Vor einigen Jahren habe ich beschlossen, gar nicht wieder damit anzufangen, auch wenn’s lecker ist.

Heute wissen wir so viel darüber, wie sehr unser Konsum die Natur und das Klima verändert. Auch die Art, wie wir reisen und uns im Alltag von einem Ort zum anderen bewegen. Plötzlich wird der Zusammenhang zwischen der einzigartigen Schöpfung Gottes und dem Fasten ein ganz anderer. Wie schön dieses Gottesgeschenk ist. Und wie gefährdet. In der Fastenzeit können wir uns erlauben, einmal ganz anders zu sein als sonst, ist ja nicht wirklich lange. Anders als beim Karneval. Da passiert das Verkleiden und Ausprobieren außen.

Die Fastenzeit lädt mich ein, mich innen drin anders zu sehen. Und das im Alltag auszuprobieren. Könnte ich auch eine ganz andere sein? Geht das überhaupt? Die Fastenzeit lädt mich dazu ein, auszuprobieren. „Sieben Wochen ohne“ heißt auch „Sieben Wochen mit“: Blick auf das Leben – Freude über die Natur – Begegnung mit Menschen – Offenheit für neue Erfahrungen – Dankbarkeit für das Geschenk Gottes – Vorfreude auf Neues und Überraschendes! Vielleicht trägt es ja auch über die Fastenzeit hinaus. Eine gesegnete Fastenzeit wünscht

Pfarrerin Sabine Sarpe, Evangelisch-Lutherische Stephanus-Kirchengemeinde Borchen

Der Beitrag ist erschienen in der Neuen Westfälischen Paderborn in der Reihe „Auf ein Wort“ am Freitag, 10. März 2023.