Gedenkstunde zum Volkstrauertag in Paderborn
„Innehalten, damit wir zusammenfinden“
Paderborn. Die Gedenkstunde zum Volkstrauertag fand in Paderborn am Mahnmal Busdorfwall statt. In besonderer Weise wurde an diesem Tag der Soldatinnen und Soldaten und aller Menschen gedacht, die in den Weltkriegen durch Kriegshandlungen und Gefangenschaft ihr Leben lassen mussten.
Bürgermeister Michael Dreier erinnerte nicht nur an die Opfer in der Vergangenheit: „Wir wollen heute auch an jene denken, die ganz aktuell den Folgen von Gewalt und Terror ausgesetzt sind“, betont er. Er sprach sich klar gegen Gewalt, Terror und jedwede Form von Antisemitismus aus: „Ich bitte Sie daher auch heute wieder, mit offenen Augen und Ohren wachsam und aufmerksam zu sein.“ Der Bürgermeister unterstrich, wie wichtig ein Leben in Frieden sei und forderte dazu auf, ein gemeinsames Zeichen für Toleranz, Frieden und Versöhnung zu setzen.
In ihrer Gedenkansprache erinnerte Dr. Stefanie Kolbusa, Referentin für Erwachsenenbildung des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn, daran, dass der Volkstrauertag ein stiller Feiertag und ein Tag des Innehaltens und des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewalt in der Vergangenheit und in der Gegenwart sei. Sie stellte die Frage: „Was bedeutet aber dieses Innehalten für uns? Das Leben geht doch weiter, oder?“
In sehr persönlichen Worten berichtete sie von ihren Erlebnissen bei Gedenkwochen für die Opfer des Völkermordes an den Tutsi in Ruanda. Stefanie Kolbusa lenkte den Blick auf die Überlebenden des Völkermordes: „So unfassbar diese Verbrechen und das Leid, so unfassbar aber auch die Resilienz, die Stärke dieser Menschen.“ Unfassbar sei auch der Mut, sich dem Erlebten und damit den tiefen Verletzungen und Schmerzen zu stellen.
Wie heilsam „das Trauern in der Gemeinschaft, die gemeinsame ehrliche Betrachtung der Wahrheit, das Sprechen über das Verbrechen“ sein kann, beschrieb Kolbusa mit einem Ereignis aus ihrer eigenen Familiengeschichte, der Ermordung eines Onkels 1941 im Zuge des Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten. Die Wahrheit habe die Familie erst vor kurzem erfahren und gemeinsam eine Gedenkreise zu seinen letzten Lebensstationen unternommen.
Die Wunden des zweiten Weltkrieges seien nicht mehr so offensichtlich, aber prägend, machte Kolbusa deutlich: „Mit dem Ende des Krieges ist das Leid jedoch nicht beendet. Das Leid setzt sich fort und wird von den nachfolgenden Generationen weitergetragen.“ Traumata könnten weitervererbt werden.
Angesichts aktueller Kriege, Konflikte und Krisen scheine friedliches Zusammenleben ferner als je zuvor. „Wir stehen in Gefahr, von dieser grauen Wolke der Hoffnungslosigkeit und Angst gelähmt zu werden“, sagte sie. Auch die gegenwärtige Gewalt bringe Verletzungen hervor, die Generationen überschatten könnten. „Lassen Sie uns nicht vergessen, dass es sie gibt, die leisen Stimmen der Menschlichkeit (…) Lassen Sie uns Innehalten, damit wir zusammenfinden“, appellierte Kolbusa mit Blick auf eine Zukunft ohne Grauen, Leid und Zerstörung.
Die Teilnehmenden legten gemeinsam einen Blumenkranz vor dem Mahnmal nieder. Für einen würdigen musikalischen Rahmen sorgte die Bläsergruppe der städtischen Musikschule sowie der Paderborner Frauenchor.
Der vollständigen Text der Rede von Dr. Stefanie Kolbusa als PDF: Rede Volkstrauertag