Gottes großer Vergebungstag
Auf ein Wort
Am nächsten Mittwoch ist Buß- und Bettag. Weil er als gesetzlicher Feiertag gestrichen wurde, aber auch weil der Handel mit ihm kein Geld verdienen kann, weiß allerdings kaum noch ein Mensch etwas mit ihm anzufangen. Buße? Was bitte soll das sein? Ach ja! Geht es da nicht – wie etwa bei den Bußgeldbescheiden für Verkehrssünder – um Bestrafung? Nein, darum geht es nicht! Das Thema des Tages ist vielmehr die innere Einkehr, die Besinnung auf das, was falsch läuft bei mir, in der Gesellschaft und in der Welt, damit der Seelenkompass wieder auf Kurs kommt. Es geht also einmal nicht um Körper-, sondern um Seelenpflege! Wo sind wir vielleicht nicht mehr auf dem richtigen Weg? Wen haben wir verletzt und ungerecht behandelt? Über wen haben wir schlecht gedacht und geredet? Menschen, die solche Verfehlungen mit aufrichtigem Herzen vor Gott bekennen und eine andere Richtung einschlagen wollen, wird auch im evangelischen Beichtgottesdienst – ja, den gibt es – Gottes Vergebung zugesprochen! Somit ist der Buß- und Bettag also Gottes großer Vergebungs- und Befreiungstag.
Nun läuft zurzeit – sicher nicht nur nach meinem Empfinden – leider Vieles in die falsche Richtung. Zuletzt hagelte es schlechte Nachrichten: Demokratische Wiederwahl des amoralischen Trump, die neben dem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen weitere schlimme Konsequenzen befürchten lässt. Wesentlich verschlechterte Lage der Ukraine, Erstarken von Fremdenfeindlichkeit, gewalttätiger Judenhass und nicht zuletzt Ende der Ampelregierung. All das ist erschütternd, unfassbar und schwer zu verkraften. Ja, dass Menschen sich nach Stabilität, Sicherheit und Wohlstand sehnen, ist klar. Aber sie sind durch extremen Nationalismus, Egoismus und Hass auf Menschen, die zu Sündenböcken gemacht werden, nicht zu erreichen!
Wie kann es also wieder besser und vielleicht sogar gut werden? Der Buß- und Bettag erinnert dran: Fehler machen gehört zum Menschsein! Das ist seit Adam und Eva so. Aber leider auch die menschliche Neigung, mit Fingern auf andere zu zeigen und ihnen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Wie viel Selbstinszenierung und „Selfietum“ wir im Fernsehen zu sehen bekommen. Wie viel Beschämung anderer, um den Urheber des Fehlers zu beseitigen, statt den Fehler. Wie unbarmherzig! Dagegen lese ich in der Bibel schon im dritten Kapitel, wie Gott den Menschen, die erkennen, dass sie nackt vor ihm dastehen, die Blöße bedeckt. Und im Gleichnis vom Vater und seinen Söhnen, höre ich, dass der Totalversager, der umkehrt, bei Gott in Ehren einen vorbehaltlosen, kompletten Neuanfang machen darf. Gott ist voller Gnade, Barmherzigkeit und Vergebung, die man sich am Buß- und Bettag zusprechen lassen kann. Dazu braucht es allerdings die Bereitschaft, die eigene Schuld vor ihm einzugestehen und Menschen um ihre Entschuldigung zu bitten. Ach, wie schön wäre es, wenn die Akzeptanz von Fehlern und Vergebungsbereitschaft auch in der Öffentlichkeit gelebt würden. Damit das Gebet „Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ auch im Alltag erfahren wird und sich neue, gemeinsame Zukunftswege öffnen.
Silvia Reinecke, Schulpfarrerin des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn
Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 15. November 2024.