Mit Nächstenliebe, Solidarität und Teamgeist durch die Corona-Zeit
Präses Annette Kurschus besucht das Perthes-Haus in Paderborn
Paderborn/Bielefeld. An den 21. März 2020 erinnert sich Heidemarie Hellwig noch ganz genau. Es war ein Samstagnachmittag, als das Gesundheitsamt der Stadt Paderborn die Einrichtungsleiterin über den ersten Corona-Infektionsfall im Perthes-Haus, einem Alten- und Pflegeheim der Ev. Perthes-Stiftung, informierte. Die Wochen und Monate, die dann folgten, waren die härtesten, die sie und ihre Kolleginnen und Kollegen bislang erlebt haben: 39 von 60 Bewohnerinnen und Bewohner erkrankten an Covid-19, neun von ihnen starben. Und da zeitweise auch ein Großteil der Mitarbeitenden krankheitsbedingt ausfiel oder in Quarantäne musste, arbeiteten alle an der Belastungsgrenze. Oft auch darüber hinaus. Immer bemüht, neben der professionellen Pflege auch die persönlichen Sorgen und Ängste der Bewohnerinnen und Bewohner und ihrer Angehörigen im Blick zu behalten. Nächstenliebe leben. Dafür zu sorgen, dass Menschlichkeit und Nähe trotz enormer Arbeitsbelastung und notwendiger Distanz erhalten bleiben. Und irgendwie haben sie es gemeinsam geschafft.
Dafür sind sie dankbar. Für das gute Miteinander auf allen Leitungsebenen. Für die Kooperation mit den städtischen Behörden. Für das Wir-Gefühl unter den Mitarbeitenden. Für die vielen großen und kleinen Zeichen der Solidarität aus der Bevölkerung – die gespendete Schutzkleidung, als Masken und Kittel noch knapp waren, die Briefe und Bilder aus dem Kindergarten, das kleine Posaunenkonzert des Bläserkreises der Abdinghofkirche im Innenhof und vieles mehr. Davon berichteten sie am Mittwoch (15.9.) Präses Annette Kurschus.
Die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) war im Rahmen ihrer „Sommergespräche 2021“ ins Perthes-Haus nach Paderborn gekommen, weil sie – in Anknüpfung ihrer bereits im Dezember 2020, auch mit Medizinern und Pflegekräften, geführten „Lockdown-Gespräche – hören wollte, was die Zeit mit den Menschen gemacht hat, wie sie die Krise erlebt haben, und wie es jetzt weitergeht: „Mein Besuch ist Ausdruck des Respekts, weil Sie sich in dieser schweren Zeit einer fast schier unlösbaren Aufgabe gestellt haben – für die Menschen, die Ihnen anvertraut sind, da zu sein.“ Neben Heidemarie Hellwig freuten sich auch Pflegedienstleiterin Ulrike Müller, Wilfried Koopmann, Vorsitzender der Ev. Perthes-Stiftung e.V, sein Stellvertreter Pastor Dr. Jens Beckmann, Geschäftsbereichsleiter Felix Staffehl (Altenhilfe Mitte) und Superintendent Volker Neuhoff auf den offenen Austausch und den Besuch.
„Schön, dass Sie bei uns sind“, begrüßte Wilfried Koopmann die Präses. Auch bei ihm hat die Corona-Pandemie mit insgesamt 140 Todesfällen in Einrichtungen der Ev. Perthes-Stiftung. Spuren hinterlassen. Vieles muss noch verarbeitet werden. Vor dem, was die Mitarbeitenden über Wochen und Monate hinweg geleistet haben, hat Koopmann hohen Respekt: „Wir hatten tolle Teams!“ Und auch Felix Staffehl lobt das gute Miteinander im Paderborner Perthes-Haus, das mit 60 Plätzen die kleinste Alten- und Pflegeeinrichtung im Bereich der Ev. Perthes-Stiftung ist. Als von jetzt auf gleich 19 Mitarbeitende in Quarantäne mussten, seien zur Unterstützung sofort Pflegekräfte aus anderen Häusern und der Tagespflege eingesprungen. Für deren „Bereitschaft, ein persönliches Risiko auf sich zu nehmen und eine andere Einrichtung zu unterstützen“, sei er unglaublich dankbar. Ebenso wie für das Vertrauen zwischen Geschäftsführung und Einrichtungsleitung: „So heftig die ersten zwei Monate auch waren, sie haben gezeigt, dass die Teams vor Ort hervorragend arbeiten.“ Das zeige auch die Tatsache, dass der Ruf der Einrichtung trotz der anfangs massiven Medienberichterstattung nicht gelitten habe und kein Makel zurückgeblieben sei.
Als Pflegedienstleitung weiß Ulrike Müller auch von den Ängsten und Sorgen ihrer Kolleginnen und Kollegen: „Manchmal konnten sie wegen der hohen Belastung eigentlich nicht mehr und hatten auch Sorge um die eigene Gesundheit … aber sie haben trotzdem durchgehalten. Der Zusammenhalt im Team war einfach toll.“ Umso mehr freut sie sich deshalb auch über die gesellschaftliche Anerkennung: „Unser Beruf ist in ein anderes, ein besseres Licht gerückt.“ Auch im Freundes- und Bekanntenkreis habe sie immer wieder aufrichtige Wertschätzung für ihr berufliches Engagement erfahren. Manche Kolleginnen hatten aber auch mit Problemen zu kämpfen, wie in einer abschließenden Gesprächsrunde mit einigen Pflegekräften sowie Bewohnerinnen und Bewohnern deutlich wurde. Da gab es Familienangehörige, die ehrlich Angst um die Gesundheit der Pflegekräfte hatten, was zuhause auch schon mal für Diskussionen sorgte. Oder Mitarbeitende, die sich im privaten Umfeld isolierten, um weder Freunde und Familie noch ihre Arbeitskollegen zu gefährden.
Einige Mitarbeiterinnen, die sich selbst mit dem Coronavirus infizierten, leiden heute noch unter den Langzeitfolgen. Gelitten haben die hoch engagierten Mitarbeitenden auch unter dem belastenden Gefühl, „nie genug gemacht“ zu haben. Obwohl sie wissen, dass sie Überdurchschnittliches geleistet und ihr Bestes gegeben haben – jede Infektion, die nicht verhindert werden konnte, tut ihnen weh. Ebenso wie die Momente der Traurigkeit und Einsamkeit, die sie bei den Bewohnerinnen und Bewohnern spürten, und in denen oft die Zeit fehlte, einfach nur da zu sein.Einfach nur da sein: In Phasen des Abschiednehmens und Sterbens war das allerdings immer möglich. Auch in Corona-Zeiten. Das ist Heidemarie Hellwig wichtig, weil es das diakonische Selbstverständnis des Hauses und auch ihr eigenes betrifft: „Niemand musste bei uns allein hinter verschlossenen Türen sterben. Angehörige konnten kommen, sich verabschieden und wurden auch begleitet. Wenn auch anders als sonst …“
Für Wilfried Koopmann ist Seelsorge ebenfalls ein Herzensanliegen: „Palliativbegleitung war und ist immer möglich. Uns als diakonischem Träger ist es ganz besonders wichtig, zu sagen: Niemand musste und muss alleine sterben.“ Wenn die Bewohnerinnen und Bewohner an die schwere Zeit der Isolation zurückdenken, schwingt auch immer noch Traurigkeit mit: kein Singen, kein Musizieren, keine Gruppenangebote, nur eingeschränkte Kontakte zu den Angehörigen. All das hat ihnen gefehlt. Trotzdem sind sie dankbar für das, was trotzdem möglich gemacht wurde. Und umso mehr freuen sie sich über all das, was jetzt wieder in Gemeinschaft geht. Präses Kurschus bewundert ihre unverzagte „Wir schaffen das“-Haltung: „Sie haben schon so viel in Ihrem Leben erlebt. Das merkt man. Sie gehen viel stärker damit um als wir Jüngeren.“
Am Ende ihres Besuches zeigte sich Präses Annette Kurschus beeindruckt von der guten Atmosphäre des Hauses und Krisenmanagement in der Corona-Pandemie. Es sei deutlich geworden, wie sehr das solidarische Miteinander alle Beteiligten durch die Krise getragen habe. Sowohl vor Ort im Perthes-Haus als auch im gemeinsamen Handeln unterschiedlichen Leitungsebenen. „Die Einbindung der Einrichtungen in das gesellschaftliche Leben vor Ort ist eine Stärke der Ev. Perthes-Stiftung“, so Kurschus.
Sommergespräche 2021
Mit den „Sommergesprächen“ knüpft Präses Annette Kurschus an ihre Lockdown-Gespräche aus dem vergangenen Winter an. Sie hatte sich bei sechs digitalen Terminen mit Betroffenen aus verschiedenen Berufsgruppen und gesellschaftlichen Bereichen über die Auswirkungen der Corona-Schutzmaßnahmen ausgetauscht. Lockerungen und niedrige Inzidenzwerte ermöglichen jetzt Besuche und Gespräche vor Ort: Nach ihren Besuchen im Konfi-Camp des Ev. Kirchenkreises Gütersloh und bei Schaustellern im Dortmunder Kirmespark „freDOLino 2021“ im Juli war Präses Annette Kurschus jetzt zu Gast im Paderborner Perthes-Haus, einer Einrichtung der Evangelischen Perthes-Stiftung e.V., einem überörtlichen diakonischen Träger mit Einrichtungen und ambulanten Diensten im Bereich der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.