Radlerlatein
Auf ein Wort
Im Sommer sind wir 400 Kilometer in einer Radlergruppe eine Woche lang durch das Münsterland geradelt. In der abendlichen Runde sagte dann ein Mitradler: „Ich habe schon Muskelkater im linken Arm!“ Wer schon mal mit dem Rad Kolonne gefahren ist, kennt den Grund: Kommt ein Rad, ein Auto, ein Fußgänger entgegen, so warnen die vorausfahrenden Radler die anderen mit einer ausholenden Bewegung der linken Hand bis auf den Rücken. Radlerlatein. „Immer schön rechts bleiben. Und überholen Sie nicht!“ heißt das. Man macht dieses Zeichen bei einer Tour viele Male.
Radlerlatein ist schon wichtig. So eine gemeinsame Radlertour funktioniert nur, wenn alle aufeinander achten. Es reicht nicht, nur auf die eigene Sicherheit zu schauen, sondern immer darauf bedacht zu sein, dass diejenigen, die hinter einem sind und vielleicht nicht so gut nach vorn schauen können, gewarnt werden vor etwaigen Gefahren. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber im alltäglichen Leben eher die Ausnahme. Wir informieren uns tagtäglich. Wo gibt es etwas im Sonderangebot zu kaufen? Wo ist der Sprit gerade billig? Wie muss ich etwas bei einer Behörde beantragen um erfolgreich zu sein? Und vieles mehr. Informationen, die einem selbst nützen, werden Gott sei Dank hin und wieder mit anderen geteilt.
Aber vielfach heißt es doch eher: Wissen ist Macht! Ich behalte Informationen, die mir nutzen, erst einmal für mich. Jeder ist sich selbst der Nächste! Ist doch normal! Am Ende gebe ich zu viele Tipps weiter und andere profitieren – und ich gehe leer aus! Doch solcher Egoismus nutzt am Ende niemandem. Selbst den Egoisten nicht! „Behandelt andere so, wie ihr von ihnen behandelt werden möchtet.“ Die Goldene Regel steht schon in der Bibel. Radlerlatein dient dazu, dass am Ende alle heil ankommen. Auf einander achten und das eigene Wissen mit anderen teilen, dient dazu, dass am Ende alle davon profitieren. Unsere Radlergruppe ist jedenfalls am Ende gesund und munter mit wenig Muskelkater angekommen. Und das sicher auch, weil wir die gegenseitige Fürsorge beachtet haben. Aber nicht zuletzt: Weil Gottes Segen es so wollte.
Pfarrer Detlev Schuchardt, Evangelische Kirchengemeinde Bad Lippspringe
Der Beitrag ist erschienen in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 22. September 2023.