Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden

Auf ein Wort

Pfarrer Thomas Walter, Matthäus-Pfarrbezirk der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Paderborn

Pfarrer Thomas Walter, Matthäus-Pfarrbezirk der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Paderborn

Zu welcher Mannschaft halten Sie eigentlich (außer für Deutschland natürlich)? Jetzt geht es ja in die K.O.-Runde, da wird es richtig spannend. Denken Sie strategisch, was halt für die deutsche Mannschaft am besten ist? Oder machen Sie das mehr nach Gefühl? Manche haben vielleicht eine besondere Verbindung zu einem bestimmten Land, weil sie da schon einmal Urlaub gemacht haben, die Nachbarn von dort kommen oder jemand aus der Verwandtschaft.

Meine Mutter pflegte dagegen immer zu der schwächeren Mannschaft zu halten. Sogar, wenn die gegen Deutschland spielte (aber nur in dem Fall, dass Deutschland haushoch führte): „Die sollen doch auch mal ein Tor schießen“. Mein Argument, dass das ja „gegen uns“ sei, zählte da nicht viel. Als Kind hatte ich mich darüber aufgeregt, jetzt finde ich es irgendwie sympathisch. Da steckt viel Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden drin. Die braucht es vielleicht nicht so sehr beim Fußball, dafür umso mehr in der sonstigen Welt. Sei es in der großen Politik oder auch in Familie und Nachbarschaft.

Kann es sein, dass uns die Sehnsucht nach Frieden immer wichtiger wird, die Fähigkeit dazu aber ein wenig abhanden gekommen ist? Mir kommt es wenigstens so vor, dass immer mehr Menschen schnell wütend werden, auf ihrem Urteil beharren und wenig Bereitschaft haben, sich die Argumente der anderen Seite wenigstens anzuhören. Mir scheint, immer mehr Menschen sind sehr gereizt und dünnhäutig geworden. Möglicherweise eine Reaktion auf die vielen Krisen der letzten Zeit, besonders der Corona-Krise, die uns alle auf die eine oder andere Art und Weise sehr belastet hat. Aber auch die Klimakrise, der Russlandkrieg in der Ukraine, die weltweite Flüchtlingskrise und, und, und.

Wenn das stimmt, dann bräuchten wir alle ein wenig Heilung. Nicht mit Medikamenten und Operationen, sondern mit einer Kraft, die die Seele heilt. Segen kann genau diese Heilung bewirken. Wann haben Sie sich das letzte Mal ganz bewusst segnen lassen? Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich in der Kirche diesen heilsamen Segen erfahren kann. Er schenkt mir Geduld und Kompromissbereitschaft. Und er gibt mir eine innere Ruhe und Kraft, die es mir ermöglicht, belastende Situationen auszuhalten. So kann die Liebe Gottes, wenn ich sie denn wirklich an meine Seele heranlasse, uns allen den Weg zu echtem Frieden weisen. Dabei bleibt das eine große Aufgabe, an der wir immer nur stückweise vorankommen und auch manche Rückschläge aushalten müssen. Aber es lohnt sich. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin eine friedvolle EM2024.

Pfarrer Thomas Walter, Matthäus-Pfarrbezirk der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Paderborn

Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 28. Juni 2024.