Superintendent Volker Neuhoff: „Die Botschaft ist wichtig!“
Kirchenkreis Paderborn investiert, um Menschen auf vielen Wegen zu erreichen
Von Heide Welslau
Paderborn/Kreis Höxter. Pandemie, Klimawandel und den gesellschaftlichen Zusammenhalt nennt der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn, Volker Neuhoff (60), als die derzeit wichtigsten Herausforderungen, denen sich auch die evangelische Kirche stellen muss. Gemeinsam mit den beiden Mitgliedern des Kreissynodalvorstands, Evelyne Schubert, Synodalälteste (59, Sennelager), und Synodalassessor (Stellvertreter des Superintendenten) Gunnar Wirth (52, Boffzen), Gemeindepfarrer der Evangelischen Weser-Nethe-Kirchengemeinde Höxter, gibt der Superintendent einen Einblick in und Ausblick auf das evangelische Leben zwischen Beverungen und Hövelhof, Steinheim und Bad Wünnenberg. Im Evangelischen Kirchenkreis Paderborn leben 77.000 Christ*innen in 14 Kirchengemeinden in den Kreisen Höxter und Paderborn.
Treue der Gemeindeglieder
Der Rückgang der Gemeindegliederzahlen im Kirchenkreis um 1,5 Prozent von 78.329 (2019) auf 77.177 (2020) liegt deutlich unter dem landeskirchlichen Durchschnitt von minus 2,1 Prozent. Gründe hierfür sieht Synodalassessor Wirth in der besonderen Treue der Gemeindeglieder. Aber auch in der Tatsache, dass „die Erwachsenenbildung im ländlichen Raum fast ausschließlich über die evangelische und katholische Kirche angeboten wird.“
„Aufs Evangelium schauen“
Bei der „Polarisierung der Gesellschaft“ könne die Kirche deeskalierend wirken und zur Ausgewogenheit beitragen: „Menschen ins Gespräch bringen“ und „aufs Evangelium schauen“, darin sieht Volker Neuhoff positive Möglichkeiten. Beim Klimawandel „werden wir noch intensiver einsteigen müssen“, räumt Neuhoff ein; aber: „Jeder kleine Baustein hilft“ und nennt die angestrebte CO2-Neutralität der Synoden, das Nutzen von ausschließlich grünem Strom und das geplante Aufstellen von zwei Ladestationen für Elektroautos auf dem Parkplatz vor dem Haus der Evangelischen Kirche in Paderborn als Beispiele.
Persönliche Begegnung und Digitalität
„Die Pandemie hat uns an vielen Stellen verändert und maßgeblich beeinflusst“, kommt der Superintendent zur „größten Herausforderung“: „Unser Glaube lebt von der persönlichen Begegnung, darin waren wir eingeschränkt, das hat weh getan“, stellt Volker Neuhoff fest. Positiv sei, dass sich Kirchenkreis und Kirchengemeinden auf besondere und kreative Weise weiterentwickelt hätten (Outdoor-Veranstaltungen wie Konfirmation im eigenen Garten oder Taufen am Fluss) und die Möglichkeit der Digitalität nutzten, um auf anderen Wegen mit Menschen in Kontakt zu kommen (Podcast, YouTube-Kanal, App des Jugendreferats). „Wenn Corona mal vorbei ist, Digitalität bleibt“, sieht der Superintendent die Sozialen Medien als Chance: „Wenn Menschen sich vom Evangelium angesprochen fühlen – egal ob im Gottesdienst vor Ort, durch den ZDF-Fernsehgottesdienst oder über Soziale Medien, freue ich mich. Die Botschaft ist wichtig.“ Als Konsequenz investiert der Kirchenkreis in eine Projektstelle für Soziale Medien.
Investitionen mit Zielgruppen im Blick
„Wenn man etwas aufbauen will, muss man auch investieren“, sagt Volker Neuhoff selbst vor dem Hintergrund prognostizierter sinkender Kirchensteuereinnahmen. So gibt es bereits seit Juli die Fachstelle Schutz vor sexualisierter Gewalt im Kirchenkreis, die die seit vielen Jahren praktizierte Arbeit in diesem Bereich weiter ausbaut, etwa durch Präventionsmaßnahmen. „Wir haben keinen einzigen Fall innerhalb unserer Kirche, der bisher bekannt geworden ist“, betont Gunnar Wirth. Es gebe aber Kinder, die sexualisierte Gewalt in ihrer Familie erfahren, wo die Kirche als Kontaktperson gefragt sei.
Im Kitabereich wird der gesetzliche Trägeranteil weiterhin aufgestockt, wenn auch nicht mehr so stark wie bisher. Investiert werden soll auch in der Jugendarbeit in neue Formen mobiler Jugendkirche. Die Entscheidung darüber wird auf der nächsten Kreissynode am 3. September erwartet.
Pfarrer Wirth erinnert an die jährlichen Zuschüsse des Kirchenkreises für die vielfältigen Beratungsstellen der Diakonie Paderborn-Höxter (e.V.).
Gestaltung des Gemeindelebens durch Ehrenamtliche
Noch gibt es rund 50 Gemeinde- und Funktionspfarrstellen (u. a. in Schulen, Klinik-Seelsorge) im Kirchenkreis Paderborn. Doch der Nachwuchsmangel fordert neue Konzepte: „Die Pfarrstellen werden weniger werden im Kirchenkreis“, so Evelyne Schubert. Interprofessionelle Pastoralteams, bestehend aus Pfarrer*in plus Diakon*in/Gemeindepädagog*in, Kirchenmusiker*in oder Gemeindemanager*in, sind in der Evangelischen Kirche von Westfalen bereits erprobt worden und sollen jetzt verstärkt zum Einsatz kommen. Die Evangelische Kirchengemeinde Schloß Neuhaus mit bisher zwei Pfarrstellen habe den Antrag gestellt, die zweite Stelle in Form des Interprofessionellen Pastoralteams zu besetzen, informiert Evelyne Schubert. Die Sparkassenkauffrau ist seit 2019 Presbyteriums-Vorsitzende der Evangelischen Kirchengemeinde Schloß Neuhaus und empfindet, dass „Frauen in der evangelischen Kirche standgleich sind“. Diesen Weg, den Vorsitz des Presbyteriums mit Ehrenamtlichen zu besetzen, sind im Kirchenkreis Paderborn auch bereits die Kirchengemeinden Büren-Fürstenberg und Lichtenau gegangen. „Gestaltung von Gemeindeleben heißt nicht automatisch Hauptamtlichkeit, sondern Ehrenamtlichkeit muss stärker in den Blick genommen werden“, ergänzt Superintendent Neuhoff.
„Diasporagefühl ist nicht mehr verbreitet“
„Majorität und Minorität spielt oft keine Rolle“, stellt er vor dem Hintergrund der Minderheitensituation des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn im Vergleich zur katholischen Kirche fest. Es gebe einen regen Austausch, Zusammenarbeit und Kooperationen. „Das Diasporagefühl ist nicht mehr verbreitet“, bestätigt Synodalälteste Evelyne Schubert. Pfarrer Gunnar Wirth hofft, dass der bereits für letztes Jahr geplante ökumenische Heiligabend-Gottesdienst am Schloß Bruchhausen in diesem Jahr stattfinden kann. Über die Ökumene hinaus geht der interreligiöse Dialog, der auch bei der Landesgartenschau 2023 in Höxter durch ein gemeinsames Projekt zum Ausdruck kommen werde, kündigt der Synodalassessor an.