Warum wir Weihnachten brauchen

Auf ein Wort

Schulpfarrerin Silvia Reinecke

Schulpfarrerin Silvia Reinecke

Ist die Adventszeit nicht eine wunderschöne Zeit? Draußen in den Straßen ist es dunkel und kalt, aber wir zünden die Kerzen am Adventskranz an. In den Fenstern der Stadt leuchten unzählige Sterne, Lichterketten beglänzen die Straßen, und auch der Weihnachtsmarkt ist angefüllt mit Tradition, Geschmack, Geruch und Gesang. Einen Moment halte ich inne. Ist das alles nun nicht nur noch Deko, Romantik und Behaglichkeit? Flucht vor den dunklen Realitäten der Welt vielleicht? Die Menschen haben doch wirklich genug Sorgen und Fragen, die das Leben dunkel machen! Fragen wie: Was wird aus der Welt angesichts der Klimakatastrophe und der Pandemie? Werde ich mich vielleicht auch anstecken? Und was wird dann aus mir? Das sind doch reale Sorgen, die man nicht einfach mit Lichterketten wegleuchten oder mit Puderzucker überschütten kann, um dann für ein paar Tage heile Welt zu spielen.

Aber genau deshalb, weil die Welt eben nicht heil ist, brauchen wir Weihnachten! Dieses ganz besondere Fest von Licht, Liebe und Hoffnung! Warum? Weil Weihnachten die Dunkelheiten der Welt ernst nimmt, dann aber vehement bestreitet, dass die Welt so bleiben muss, wie sie ist!

Das Weihnachtsevangelium nach Lukas erzählt uns von der Geburt des Arme-Leute-Kindes Jesus, das – in einer Zeit brutaler römischer Besatzung geboren – kein ordentliches Dach über dem Kopf hat. Aber in ihm ist Gott ganz nah bei den Menschen. Seine Geburt hatte der Prophet Jesaja schon vor langer Zeit verheißen. „Ein Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht….Denn uns ist ein Kind geboren und er heißt Wunderbarer-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.“ „Ich bin das Licht der Welt“, wird Jesus, der Erlöser, später von sich sagen und die Liebe Gottes aufleuchten lassen in der dunklen Welt. Gerechtigkeit und Frieden, Versöhnung und Heilsein haben von ihm aus Leuchtspuren in der Welt gezogen. Denn in diesem neugeborenen Menschenkind hat eine neue, eine ganz andere Welt angefangen. Der Stern über Bethlehem und die Sterne in unseren Fenstern sind also Zeichen der Hoffnung, die sagen: Die Welt soll besser und einmal ganz heil werden. Sie wird eine Welt sein, in der die Menschen wie wahre Geschwister in einer großen Familie leben. Eine Welt, in der es keine Flüchtlinge, Arme und Unterdrückte mehr geben wird und kein Leid mehr, sondern nur noch Frieden.

Das klingt zu schön, als dass dieser Traum je in Erfüllung gehen kann? Aber genau für diese Hoffnung, dass die zukünftige Welt das Paradies sein soll, steht unser geschmückter Tannenbaum! „Driving home for christmas. Get my feet on holy ground.“ So singt Chris Rea. Ja, an Weihnachten will auch ich dann nach Hause fahren, mit der Familie zusammen sein bei besonderem Essen unter dem Tannenbaum. Heimkommen, wieder ganz zu Hause sein, die Geborgenheit und Liebe der Kindertage spüren. Das wünschen sich mit mir sicher Viele. Genau dieses Bild vermittelt auch unsere Krippe zu Hause. Da sieht man Josef, Maria und das Kind in innigster Beziehung zueinander. Man sieht ein in der vollkommenen Liebe der Mutter und in der Zuverlässigkeit des Vaters geborgenes Kind. Nun: So vollkommen wird unsere Familienfeier sicher nicht werden. Wir sind eben nicht die heilige Familie. Aber dass wir Spurenelemente des Paradieses auch Zuhause finden mögen, das wünsche ich uns allen!

Silvia Reinecke, Schulpfarrerin des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn

Der Beitrag ist erschienen in der Reihe „Auf ein Wort“ in der Neuen Westfälischen Paderborn am Freitag, 17. Dezember 2021.